Gedanken der Künstlerin zu ihren abstrakten Acrylbildern
Ich, Christiane Middendorf, bekenne mich gerne zur Kunst der Abstraktion, denn die Leinwand sowie
die von mir vorwiegend verwendeten Acrylfarben bieten einen Gestaltungsraum für alle subjektiven
Ausdrucksformen.
Die Farbe für sich genommen ist für mich das ausdrucksstärkste Mittel, die mit ihr gestalteten
Flächen erscheinen nicht isoliert, sondern es ist stets ein Zusammenspiel mit den gesetzten Farben. Die
Wirkung, das Erscheinungsbild zeigt sich im Resultat. Um dieses für sich selbst zu erfassen, sollte sich der
Betrachter Zeit nehmen.
Mach dir ein Bild vom Bild und du verstehst Kunst!
Unter abstrakter Malerei verstehe ich die Kunst, die losgelöst ist von jeder Vorstellung des Gegenständlichen. Sie ist mit der Realität trotzdem verbunden, denn sie entsteht aus ihr und ist somit Bestandteil derselben.
Bei abstrakter Malerei geht es mir um Harmonie und Komposition, aber auch um Disharmonie und Dekomposition. Die Idee in ihre Grundbestandteile zerfallen zulassen und sie immer neu formiert umzusetzen, stellt beim Malen meiner Acrylbilder einen ungeheuren Reiz dar. Die Umrisse der einzelnen Form, verbunden mit Farbkontrasten sowie die jeweilige Anordnung bilden den einzelnen Spannungsbogen des Acrylbildes.
Das Abstrakte ist genauso Realität wie das Gegenständliche, wir sind es jedoch nur wenig gewöhnt, es zu sehen oder sehen zu wollen. Der jeweilige Betrachter setzt sich meinen Acrylbildern aus, fühlt, sieht, empfindet, lebt die Form und die Farbkontraste. Er entscheidet nicht darüber, ob gut oder schlecht, aber er entscheidet, ob etwas mit ihm passiert, was ihn fesselt, gefangen nimmt, immer neu interessiert und/oder wie er sich beim Erkennen wahrnimmt.
Am Ende wird er für sich alleine entscheiden, ob ihm das Bild gefällt oder nicht. Dadurch wird nicht die Ausdrucksstärke, die ich in das Acrylbild gelegt habe und auch nicht meine Intention beeinflusst. Sie ist und bleibt einzigartig genau wie die Empfindungen der Betrachter. Es entsteht aber eine Dynamik, eine Vielfältigkeit und eine Spannung zwischen Künstler, Bild und Betrachter.
Diese jeweiligen Rückkoppelungen haben ihren ganz eigenen Wert. Sie erfahrbar werden zu lassen, wenn man in den Dialog zwischen Betrachter und Bild eindringen kann, setzt eine Qualität. Diese Qualität ist nicht verfälscht, sondern echt. Sie bereichert jedes Bild. Hier wird Kunst authentisch und somit wahr und glaubwürdig. Die Offenheit in der Deutung schließt alle Beteiligten mit ein und verbindet sie durch das Medium Bild.
Wer ein Bild betrachtet, macht sich Vorstellungen, entwickelt Ideen, fühlt in die Zeit hinein. Aus der anfänglichen spontanen Reaktion auf ein Bild entwickelt sich die Agitation und die eigenständigen Ideen - durch den Betrachter selbst erzeugt - und die Realität wird gegenwärtig. In ihr wirkt die Abstraktion genauso wie das Gegenständliche.
Die Zeit, die man sich nimmt, ist entscheidend. Niemand kann in die Zeit hinein fühlen, ohne nicht auch in ihr zu sein. In ihr sein heißt gegenwärtig sein, sich auf etwas einlassen und vollständig ausfüllen. Fähig sein, unvoreingenommen die Realität erfahren zu wollen.
Von Martin Buber gibt es eine Erzählung, die für mich die Irrungen von Leben, Dasein und Zeitverschwendung beschreibt:
„Der Rabbi sah einen auf der Straße eilen, ohne rechts und links zu schauen. „Warum rennst du so?“ fragte er ihn. „Ich gehe meinem Erwerb nach“, antwortete der Mann. „Und woher weißt du“, fuhr der Rabbi fort zu fragen, „dein Erwerb lauf vor dir her, dass du ihm nachjagen musst? Vielleicht ist er dir im Rücken, und du brauchst nur innezuhalten, um ihm zu begegnen, du aber fliehst vor ihm“.
Ob die Gegenwart der Punkt zwischen Zukunft und Vergangenheit ist, in der die Zeit vergessen und ungeteilte Aufmerksamkeit vorherrscht, liegt bei jedem Einzelnen.
Diese Gegenwärtigkeit ist es jedoch, die ich mir wünsche, wenn man sich meine Acrylbilder anschaut, die Zuwendung auf das, was man tut. Auf das Betrachten! Dann kann man der Abstraktion, die das Bild darstellt, näher sein und sie erfahren mit allen Sinnen. Abstraktes ist immer wieder etwas Neues, für sich selbst genommen, für mich als Künstlerin und natürlich für die Betrachtenden. Nicht das ständige Suchen führt zum Erfahren, sondern die Aufmerksamkeit in der Gegenwart. Gelingt einem das „Bei sich sein“, ist man offen für neue Erfahrungen und Empfindungen.
Meine Bilder können den Betrachter unvermutet treffen und ihn überraschen. Es hängt davon ab, ob er sich ein Bild vom Bild machen möchte.
Wie entsteht ein Bild? - Auszug aus einer Einführung bei einer Vernissage von Christiane Middendorf
„Prozess bedeutet für mich die Entwicklung eines Bildes. Mal ist das Bild, bezogen auf Formen und Farben, bereits im meinem Kopf und ich versuche es auf der Leinwand umzusetzen. Ein anderes Mal lasse ich meiner Intuition freien Lauf, und meine jeweiligen Emotionen verwandeln sich in Farbkontraste, die ihr eigenes eigenwilliges Spiel auf der Leinwand treiben. Keinesfalls ist der Prozess für mich beendet, wenn ich das Bild an die Wand hänge.
An dieser Stelle ist es der Betrachter, der das Bild erfährt, indem er es sieht, erforscht und auf sich wirken lässt. Ich rede nicht vom schnellen Blick, von einem vorschnellen Urteil. Ich rede davon, dass man sich Zeit nimmt. Das Bild soll seine Wirkung entfalten können auf den Betrachter und dieser sollte es zulassen. An irgendeiner Stelle wird er entscheiden, was das Bild mit ihm macht und wie er sich beim Betrachten fühlt. Er wird die Entscheidung fällen, es gefällt oder es gefällt nicht. Auf diese Weise endet für mich der Prozess des Bildes.
Ursache (Künstler) und Wirkung (Betrachter) treffen mittels des Bildes aufeinander. Es entsteht ein Spannungsgefüge, ohne das die einzelnen Beteiligten Originalität und Individualität verlieren. Vielfältige Wirkungen stehen nebeneinander, und es ist eine Bereicherung, wenn meine Bilder dies können. Dass jedes von mir gemalte Bild seine eigene, von mir gestaltete Individualität hat und auch behält, ist für mich unzweifelhaft.
Was mich am Dialog mit dem Betrachter so fasziniert, ist die Tatsache, dass er auf sich selbst gestellt ist, dies deutlich spürt und sich dem Neuen stellt. Ich lade Sie alle dazu ein, sich mit Lust und Interesse meine abstrakten Bilder anzusehen. Die Farben geben ihnen Leuchtkraft, Dynamik und Ausdrucksstärke. ....“